«Bauen mit Holz ist Klimaschutz»

    Die Dachorganisation der Schweizer Holzwirtschaft Lignum hat sich zu einem renommierten Kompetenzzentrum für die Anwendung von Holz entwickelt. Dabei bewegt sie sich in einem hochmodernen und digitalisierten High-Tech- Bereich. Holz als nachwachsender Rohstoff bekommt im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit einen immer grösseren Stellenwert auf der Baustelle – zurzeit herrschen sogar Lieferengpässe.

    (Bilder: zVg) Holzbauboom in der Schweiz dank dem Lead von Lignum im Bereich Brandsicherheit: 2005 wurde mehrgeschossiges Bauen bis sechs Stockwerke möglich; seit 2015 kann Holz in allen Gebäudekategorien und Nutzungen angewendet werden.

    Die Schweiz verbraucht im Jahr etwa 11 Millionen Kubikmeter Holz. Davon wird rund die Hälfte energetisch genutzt, die andere stofflich – also für Holzprodukte, Papier und Karton eingesetzt. Der Holzendverbrauch für die Bereiche Bauwesen, Möbel und Innenausbau, Holz im Aussenbereich, Verpackungen und Holzwaren erreicht mittlerweile fast dreieinhalb Millionen Kubikmeter, das sind etwa zehn Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. «Allein ins Bauwesen fliessen etwa anderthalb Millionen Kubikmeter. Dort sind seit zehn Jahren vor allem Mehrfamilienhäuser das Zugpferd für den Holzverbrauch», weiss Sandra Burlet. Sie ist seit August 2020 Direktorin von Lignum, Holzwirtschaft Schweiz. Pro Jahr wachsen im Schweizer Wald etwa 10 Millionen Kubikmeter nach, von denen im langjährigen Schnitt knapp 5 Millionen geerntet werden. «Nachhaltig nutzbar wären etwa 8,2 Millionen – wobei natürlich nicht die ganze zusätzliche Menge sägefähig wäre, also zur Herstellung von Bauprodukten herangezogen werden könnte», erklärt Jakob Stark, Ständerat (SVP/TG) und seit Mai neuer Lignum-Präsident (vgl. Kasten). Obwohl Holz mit einem Marktanteil im Bauwesen von 15 Prozent noch immer erst eine Nische besetzt, bekommt der Schweizer Rohstoff gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Energie- und Klimapolitik eine immer grössere Bedeutung für die Wirtschaft. Dazu Sandra Burlet: «Wir haben enormes Potenzial mit Holz. Denn Gebäude aus Holz sind mit viel weniger grauer Energie belastet.» Die Bäume speichern massenhaft CO2 aus der Luft, und als Ersatz für konventionelle energie- und treibhausgasintensive Materialien erspart Holz dem Klima gleich noch einmal Treibhausgase. «Bauen mit Holz ist Klimaschutz, der sofort funktioniert, nicht viel kostet und erst noch vollumfänglich dem hiesigen Gewerbe zugutekommt.» Die Wirtschafts- und Staatswissenschaftlerin ist überzeugt, dass die Nachfrage nach Holz aus unseren Wäldern künftig ansteigen wird.

    Starke Nachfrage
    Diese Nachfrage ist bereits sehr hoch: Gerade öffentliche Bauherrschaften setzen dabei nachweislich oft auf hiesiges Holz, am sichtbarsten zum Beispiel bei Schulen und Kindergärten. Dabei spielt das ab 2009 eingeführte «Label Schweizer Holz» eine Rolle. «Holz ist sehr gefragt, nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa und besonders in den USA. Zusammen mit China kaufen die USA derzeit den Weltmarkt leer», sagt Jakob Stark. Dies hat jedoch zu Engpässen geführt: «Holz und viele andere Materialien wie Stahl oder Aluminium, Kunststoffe – in Form von Rohren, Folien oder Dämmungen – oder auch Glas sind seit dem ersten Quartal 2021 zum Teil rar auf Schweizer Baustellen.» Das hat mit den industriellen Lücken zu tun, welche das Stop-and-Go im Pandemiejahr 2020 erzeugt hat, und mit den dadurch vielfach unterbrochenen Lieferketten. Gemäss Stark wird sich diese ausserordentliche Situation vermutlich auf den Herbst hin wieder etwas beruhigen. «Im Moment gilt es, das Bauen gut zu planen. Die Schweizer Werke laufen auf Volllast, aber ohne Importe – rund 70 Prozent der im Bauwesen eingesetzten Produkte werden importiert – geht es im Holzbau einfach nicht.»

    Die Nachfrage ist gross: Gerade öffentliche Bauherren setzen oft auf hiesiges Holz.

    Grosse Chance
    Know-how-Transfer in der Holzbranche hat höchste Priorität – auch für die Lignum. «Wir tragen neues Wissen aus Forschung und Entwicklung in die Planer-Fachwelt. Dafür stehen wir in engem Austausch mit den Hoch- und Fachhochschulen», so Burlet. Die Berufsbildung ist allerdings Sache der entsprechenden Verbände sowie darauf spezialisierter Institutionen. Die Lignum arbeitet unter anderem mit der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau sowie mit der ETH zusammen.

    Auch auf politscher Ebene ist die Lignum immer wieder aktiv. «Unsere Hauptanliegen sind, die Holzernte in unseren Wäldern zu erhöhen, die Holzindustrie zu Kapazitätserhöhungen und Sortimentserweiterungen zu animieren und den Holzbau und den Handel mit möglichst viel Schweizer Holz und Holzwerkstoffen zu versorgen», erklärt Stark. Dazu haben er und Ständerat Daniel Fässler (CVP/AI), Präsident von WaldSchweiz, in der eben zu Ende gegangenen Sommersession zwei Motionen erfolgreich eingebracht.

    So wurde die Motion Fässler definitiv überwiesen, welche die Sicherstellung der nachhaltigen Pflege und Nutzung der Wälder verlangt. Der Bund wird dafür in den kommenden vier Jahren je 25 Mio. Franken investieren, was zu einer verstärkten Holznutzung führen wird.

    Der Ständerat hat auch die Motion Stark «Erforschung und Innovation des Werkstoffs Holz für den Einsatz im Infrastrukturbau als Dekarbonisierungs-Beitrag» überwiesen. Dabei geht es um die Förderung von Forschung und erstmaliger Anwendung von Forschungsergebnissen im modernen Holzbau mit dem Ziel, Stahlbeton durch CO2-speichernde Materialien zu ergänzen bzw. zu ersetzen, insbesondere im Infrastrukturbau. «Mittelfristig ist zu hoffen, dass aus diesem Innovationsprogramm positive Effekte für ein diversifiziertes Wachstum unserer Holzindustrie entstehen, die damit auch ihrer Konkurrenz im Ausland ein gutes Stück voraus wäre», so Stark.

    Beide Motionen wurden ohne Gegenstimmen überwiesen, was die breite Akzeptanz und Beliebtheit des Werkstoffs Holz zeigt. «Das ist eine grosse Chance für die gesamte Holzkette», freut sich Stark.

    Digitalisierung im Holzbau
    Waldwirtschaft und Holzindustrie haben sich im Laufe der Zeit immer mehr mechanisiert und automatisiert. Aber auch das Bauen mit Holz bewegt sich im High-Tech-Bereich. «Bauteile werden mit digital gesteuerten Werkzeugen industriell vorgefertigt, und auch die Baustellen selbst sind dank BIM – Building Information Modelling – zunehmend digital fundiert», erklärt Sandra Burlet. Und Jakob Stark doppelt nach: «Die Holzbranche gehört seit Jahrzehnten zur Spitzengruppe im Siegeszug von Bits und Bytes.»

    Besonders jetzt, wo die Digitalisierung auch in der Bauwelt Fahrt aufnimmt, zahlt sich das aus: «Erstens hat der Holzbau eine dreissigjährige Erfahrung in der 3D-Modellierung, zweitens verfügt er über eine ebenso lange Erfahrung in der Vorfertigung, und drittens weiss er längst, wie man Produktionsdaten im 3D-Modell implementieren kann, während viele andere noch in 2D denken», sagt Stark.

    Entsprechend rosig ist das Zukunftspotenzial der Branche. «Holz ist ein Produkt, das alle haben wollen», so Burlet. Denn die Voraussetzungen könnten nicht besser sein: Hervorragend ausgebildete Berufsleute mit hohem Qualitätsanspruch, bester Anschluss an die Digitalisierung bei der Holzverarbeitung und äusserst gute Karten im Kontext der Nachhaltigkeit. «Holz wird zu einem noch viel stärker gefragten Gut werden, vermutlich weit über das hinaus, was wir uns derzeit vorstellen können», ist Stark überzeugt. Denn Materialeffizienz und Kaskadennutzung – ein Gebrauch mit mehreren aufeinanderfolgenden «Leben» – werden je länger je wichtiger werden.

    Corinne Remund

    www.lignum.ch

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