Gebäudeprogramm: nicht perfekt, aber wirkungsvoll

    Ordnungspolitisch ist das Gebäudeprogramm ein Sündenfall. Es ist eine Subvention an Gebäudeeigentümer. Es wandelt die CO2-Abgabe in eine Steuer um. Trotzdem zeigt es Wirkung.

    (Bild: © Fluxif (Gerry Nitsch) / Das Gebäudeprogramm) Energetisch saniertes Einfamilienhaus in Würenlingen (AG).

    Das Gebäudeprogramm des Bundes und der Kantone ist eine Massnahme zur Reduktion der Treibhausgase. Es steht so im CO2-Gesetz. Vom Gesamtertrag der CO2-Abgabe wird ein Drittel verwendet, um energetische Gebäudesanierungen zu finanzieren.

    Auf den ersten Blick ist das ein No-Go. Die CO2-Abgabe ist eine Lenkungsabgabe. Sie sollte insgesamt zurückverteilt werden. Deswegen wird sie auch über die Krankenkassenprämien an das Volk, das sie ja entrichtet hat, zurückgegeben. Wenn vom Gesamtertrag ein Drittel abgezwackt wird, wird dieser Drittel zu einer Steuer.

    Man mag sich darüber streiten, ob Lenkungsabgaben wirklich klug sind. Man mag sich auch darüber streiten, ob die Subventionierung der Gebäudeeigentümer eine gute Sache ist. Ehrlich gesagt: Beides ist Chabis. Doch genau so ehrlich zugegeben: Die Wirkung des Gebäudeprogramms lässt sich sehen.

    Wirkung
    Der Jahresbericht des Gebäudeprogramms tischt Zahlen und Fakten auf. Zum dritten Mal in Folge kann Das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen ein Rekordjahr vermelden. Rund 425 Millionen Franken an Fördermitteln wurden 2022 ausbezahlt. Das ist der höchste Betrag seit Bestehen des Programms und 18% mehr als im Vorjahr.

    Die im Jahr 2022 mit Fördergeldern umgesetzten Massnahmen reduzieren über ihre Lebensdauer den Energieverbrauch des Schweizer Gebäudeparks um 8,8 Milliarden Kilowattstunden und den CO2-Ausstoss um rund 2,5 Millionen Tonnen.

    Geld
    2022 bezahlten die Kantone im Rahmen ihrer Förderprogramme rund 425 Mio. Fr. an Sanierungs- und Neubauprojekte aus (2021: 361 Mio. Fr.). Mit 139 Mio. Fr. ging der grösste Teil der Beiträge an Haustechnikprojekte, eine Steigerung um 31% im Vergleich zum Vorjahr (2021: 106 Mio. Fr.). 17’000 bestehende Öl-, Gas- und Elektroheizungen (2021: 12’500) wurden ersetzt, 86% davon durch Wärmepumpen. An Wärmedämmprojekte gingen 128 Mio. Fr. (2021: 126 Mio. Fr.).

    Für Systemsanierungen wurden 89,2 Mio. Fr. ausbezahlt (2021: 81,4 Mio. Fr.). An Projekte der zentralen Wärmeversorgung gingen 25,9 Mio. Fr. oder mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr (2021: 11,9 Mio. Fr.).

    Geldverschwendung
    Leider verliert das Programm aber auch Geld mit der Finanzierung reiner Bürokratie. Für indirekte Massnahmen in den Bereichen Information und Kommunikation, Bildung und Qualitätssicherung wurden 2022 17,6 Mio. Fr. (2021: 15,9 Mio. Fr.) ausbezahlt. Über 60% dieses Betrags floss in die Erstellung von Gebäudeenergieausweisen mit Beratungsbericht (GEAK Plus).

    Diese bürokratischen Massnahmen haben keine Auswirkung auf das Klima. Sie zeigen aber deutlich auf: Wo ein Subventionstopf aufgestellt wird, wird er von Missbrauch pervertiert.

    Treiber Energieknappheit
    Gemäss Jahresbericht waren die Themen Energiegewinnung, Energieeinsparungen oder Energieknappheit in Gesellschaft und Öffentlichkeit sehr präsent und dürften dazu beigetragen haben, dass in der ganzen Schweiz intensiv geplant, gebaut und saniert wurde. Neben den Auszahlungen erreichten deshalb auch die Verpflichtungen von Fördermitteln für energetische Massnahmen, die in den nächsten fünf Jahren umgesetzt und ausbezahlt werden, mit 592 Mio. Fr. einen neuen Höchstwert (2021: 490 Mio. Fr.), der über alle Kantone betrachtet praktisch den gesamten zur Verfügung stehenden Mitteln entspricht.

    Die im Jahr 2022 geförderten Massnahmen sparen über ihre Lebensdauer 8,8 Milliarden kWh und 2,5 Mio. t CO2 ein. Mit 162 Fr./t CO2 hat sich die Wirkung pro eingesetztem Förderfranken gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert (2021: 196 Fr./t CO2). Dies liegt primär daran, dass die Auszahlungen an die Haustechnikprojekte zugenommen haben.

    Henrique Schneider


    Beispiel: Hotel Zermama

    Das Hotel ZERMAMA, das vor der Sanierung Admiral hiess, übernahm Sandrine Julen 2018 von ihrer Tante. Mit Unterstützung ihrer Familie baute die neue Besitzerin das einfache Garni zu einem komfortablen und klimafreundlichen Design Hotel um.

    (Bilder: © Fluxif (Gerry Nitsch) / Das Gebäudeprogramm) Das Hotel ZERMAMA in Zermatt wurde 2019 gesamtsaniert. Es wird mit Holzpellets aus dem Oberwallis beheizt.

    Modernes Design und familiäre Atmosphäre gepaart mit ökologischer Nachhaltigkeit. Das fünfstöckige, trapezförmige Gebäude mit der auffälligen Holzfassade liegt zentral in Zermatt zwischen Vispbach und Gornergratbahn, mit freiem Blick aufs Matterhorn. Der Name des Hotels ZERMAMA ist Grossmutter Mariette mit ihrer legendären Küche und Gastfreundschaft gewidmet.

    «Wir haben nach Ostern 2019 die Türen geschlossen und pünktlich zur Wintersaison wiedereröffnet», erzählt Sandrine Julen. In den sieben Monaten wurde das Gebäude in den Rohbau zurückversetzt, der Grundriss leicht vergrössert und danach von innen her quasi neu gebaut.

    Alle Zimmer sind komplett renoviert, ebenso Küche, Restaurant, Bar, Lingerie und der Weinkeller. Der Frühstücksraum wird von Gästen und Einheimischen tagsüber rege als Co-Working-Space genutzt. Das Design ist modern, die Atmosphäre weiterhin familiär.

    Gearbeitet wurde mit lokalen, warmen Materialien. Die Bauherrin konnte auf einem soliden Fundament aufbauen: «Das Admiral war einst das bestgedämmte Gebäude in Zermatt», berichtet sie. Angesichts der Erdölkrise hatte ihre Familie beim Bau 1978 viel Wert auf Energieeffizienz gelegt.

    Jede eingesparte Kilowattstunde zählt
    Trotzdem war das energetische Verbesserungspotenzial gross: Dank moderner Dämmtechnologie mit Wärmerückgewinnung und dem Umstieg auf erneuerbare Holzenergie konnte die GEAK Klasse des fünfstöckigen Gebäudes um vier Klassen von F auf B verbessert werden.

    Einmal mehr sollte sich die Weitsicht der Familie Julen in Sachen Energieeffizienz auszahlen. Denn die Hotellerie – erst recht in den Bergen im kalten Wintern – ist energieintensiv. Im Hotel ZERMAMA wird die Abwärme der Lingerie und der elektrischen Geräte ebenso zur Energiegewinnung genutzt wie der Bioabfall, der zweimal wöchentlich durch die Gemeinde eingesammelt und zu Biogas vergärt wird. Zimmertemperatur und Licht werden über Sensoren gesteuert.

    Das Hotel wird zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Holzpellets beheizt, diese werden aus lokalem Holz aus dem Oberwallis hergestellt. Das Hotel ZERMAMA benötigt pro Jahr rund 40 Tonnen Pellets. Das sind zwei Tankladungen zu je drei Tonnen alle zwei Monate. «Pellets brauchen mehr Volumen als Erdöl, bei dem zwei Anlieferungen pro Jahr genügten», erklärt Sandrine Julen die etwas aufwändigere Logistik. Sogar die als «Energiefresser» bekannten Heizpilze auf der Terrasse wärmen mit Holzpellets – eine Portion reicht für den ganzen Abend.

    Aus dem Jahresbericht 2023 von Das Gebäudeprogramm.


    Das Gebäude­programm kurz erklärt

    Gebäude sind für rund 44% des Energieverbrauchs der Schweiz und einen Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Über eine Million Häuser sind nicht oder kaum gedämmt und damit energetisch dringend sanierungsbedürftig. Zudem werden über die Hälfte der Schweizer Gebäude heute noch immer fossil oder elektrisch beheizt.

    Mit dem seit 2010 bestehenden Gebäudeprogramm wollen Bund und Kantone den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss des Schweizer Gebäudeparks erheblich reduzieren. Das Gebäudeprogramm ist damit ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Energie- und Klimapolitik.

    Das Gebäudeprogramm wird über teilzweckgebundene Mittel aus der CO2-Abgabe und aus Fördergeldern der Kantone finanziert und läuft unbefristet. Unterstützt werden Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs oder des CO2-Ausstosses von Liegenschaften.

    Gefördert werden etwa die Wärmedämmung der Gebäudehülle, der Ersatz fossiler oder elektrischer Heizungen durch Heizsysteme mit erneuerbaren Energien oder durch den Anschluss an ein Wärmenetz, umfassende energetische Sanierungen oder Sanierungen in grösseren Etappen sowie Neubauten im Minergie-P- und GEAK A/A-Standard.

    Die Kantone legen individuell fest, welche Massnahmen sie zu welchen Bedingungen fördern. Unter www.dasgebaeudeprogramm.ch sind die geförderten Massnahmen pro Kanton aufgeführt. Die Basis für die kantonalen Förderprogramme bildet das Harmonisierte Fördermodell der Kantone.

    pd

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