Keine Fachkräfte – keine Energiewende

    Besonders in der Gebäudebranche, die entscheidend ist bei der Erreichung der Klimaziele, fehlt es an Spezialisten. Nur mit einer langfristig ausgerichteten Bildungsoffensive können wir die Energiewende schaffen.

    Es sind die dominierenden Themen zurzeit: Alle sprechen von der Energiekrise und vom Fachkräftemangel. Die Politik blendet aber aus, dass diese Themen zusammengehören. Wollen wir die Energiewende hinkriegen, geht das nicht ohne die nötigen Spezialisten. Und hier hapert’s gewaltig.

    Das zeigt sich anschaulich in der Gebäudebranche. Der Bund hat das Ziel gesetzt, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral ist. Dabei stammen über 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der CO2-Emissionen aus dem Gebäudebereich. Ohne die Gebäudetechniker lassen sich die ambitionierten Klimaziele nicht erreichen. Die Branche hat dabei die Aufgabe, etwa 900’000 fossile Heizungen durch erneuerbare Heizsysteme zu ersetzen und über eine Million Gebäude zu sanieren.

    Jahrelange Wartelisten
    Der Bund und die Kantone stellen zwar hohe Summen an Fördergeldern zur Verfügung. Doch weniger das Kapital ist das Problem, sondern das Fachpersonal. So bestehen für Wärmepumpen oder Solaranlagen schon jetzt teils jahrelange Wartelisten. Die Energiewende lässt also auf sich warten – auch wenn die Haus- und Wohnungsbesitzer auf erneuerbare Heizsysteme umstellen wollen.

    Der Personalmangel manifestiert sich über alle Ausbildungswege hinweg. Es fehlen Spengler, Heizungsinstallateure und Bauphysiker. Im Vergleich zum Vorjahr haben die offenen Stellen in gewissen Berufen der Gebäudebranche um rund 30 Prozent zugenommen. Der Schweizerische Verband der Solarenergie prognostiziert gar einen Mangel von rund 11’000 Fachkräften im Jahr 2035. Im Kanton Aargau schätzt man gemäss einer Studie des Gewerbeverbandes, dass auf knapp 21’000 Dächern von Industrie- und Gewerbeliegenschaften Solaranlagen installiert werden können. Mit dem aktuellen Fachkräftemangel ist das aber kaum machbar.

    Mantra «Maturitätsquote»
    Diese negative Tendenz wird sich weiter verschärfen, wenn die Politik nicht schleunigst Gegensteuer gibt. Denn der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel weiter. Es ist damit zu rechnen, dass die Lehreintritte generell abnehmen. Dabei müssen wir den Tatsachen in die Augen sehen und Klartext reden. Wir können nicht zulassen, dass die Maturitätsquote in der Schweiz weiter steigt. Denn die negativen Effekte von einer hohen Maturitätsquote zeigen uns beispielhaft Länder wie Frankreich oder Spanien, wo die Maturitätsquote höher liegt als in der Schweiz. Dort herrscht zugleich eine massiv höhere Jugendarbeitslosigkeit. Ausserdem fehlen hierzulande eben auch zunehmend Fachkräfte mit einer Berufslehre, wenn alle an die Gymnasien drängen.

    Die Folgen zeigen sich dann im Berufsleben. Gemäss dem Arbeitgeberverband bilden wir rund 10’000 Geistes- und Sozialwissenschaftler pro Jahr aus, der Arbeitsmarkt kann aber nur rund 3’000 Personen aufnehmen.

    Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es geht mir nicht darum, die Berufslehre gegen ein Studium auszuspielen. Beide Bildungsgänge sind wertvoll. Entscheidend ist jedoch, dass wir Leute ausbilden, die nach der Ausbildung ihren Platz in der Wirtschaft finden.

    Was wir jetzt tun müssen
    Was ist zu tun? Vielleicht müssen wir uns ernsthaft überlegen, ob wir weiterhin mit Steuergeldern so viele Studenten ausbilden wollen, die dann vielfach keinen angemessenen Job finden. Lösungen bieten sich durchaus an. Ich denke an eine Limitierung der Studienplätze in Fachrichtungen, die in der Arbeitswelt wenig gefragt sind. Oder daran, dass «ewige Studenten» ihre Stipendien zurückzahlen müssen oder gar von diesem System ausgeschlossen werden. Warum soll der Schreiner mit seinem Steuergeld das Studium einer arbeitslosen Sinologin finanzieren?

    Fazit: Es braucht eine langfristig ausgerichtete Bildungspolitik, um die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Fehlen die Fachkräfte, bleibt die Energiewende ein Traumschloss.

    Als Unternehmer und optimistisch eingestellter Mensch will ich aber nicht mit Schwarzmalen schliessen. Denn es gibt auch positive Signale. Die Gebäudebranche hat das Problem erkannt und geht es mit einer Bildungsoffensive an. So entstehen neue attraktive Lehrgänge wie die des Solarinstallateurs EFZ oder des Solarmonteurs EBA. Schliesslich bin ich überzeugt, dass der Fachkräftemangel mittelfristig dazu führen wird, dass das Handwerk wieder den Wert erhält, den es verdient.


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