Knappe Ablehnung des CO2-Gesetzes: Was nun?

    Eine breite Koalition von Parteien und Organisationen stand am 13. Juni hinter dem Klimaschutz- Paket. Sie wird es auch weiterhin tun. Denn die Probleme sind mit der knappen Ablehnung des CO2– Gesetzes nicht vom Tisch.

    (Bild: pixabay) «Die Schweiz muss eines der ersten Länder sein, das eine innovative Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe entwickelt.»

    Der neuste Bericht der Weltklimarates bestätigt, dass das Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels «irreversible Auswirkungen auf Menschen und ökologische Systeme» hat. Ernterückgänge, Trinkwassermangel, Massenflucht wegen Dürren oder nach Überflutungen von Küstenstädten könnten ab 2050 unser Leben prägen. Selbst die SVP streitet die gefährlichen Folgen des Klimawandels und den Handlungs- bedarf heute nicht mehr ab. Ihre Vorschläge für alternative Massnahmen sind deshalb ernst zu nehmen. Dazu gehört zum Beispiel eine Solarstromoffensive, deren Überschüssen die Herstellung von synthetischen Treibstoffen ermöglicht. Das ist nicht neu und weder effizient noch billig. Aber es kann ein Baustein sein für die Neuauflage des Schweizer Klimaschutzgesetzes.

    Die Schweiz muss vorangehen – im eigenen Interesse
    Doch bevor die politischen Kräfte einen neuen Anlauf nehmen, lohnt sich ein Blick auf die Gegenargumente zum CO2-Gesetz. Neben der Kostenfrage stand vor allem die Behauptung im Raum, dass die Schweiz allein das Weltklima nicht retten könne. Das stimmt – aber das hat auch nie jemand verlangt. Andere Länder sind sehr viel ehrgeiziger unterwegs als wir. Im «Climate Chance Performance Index 2021» belegt die Innovationsweltmeisterin Schweiz trotz privilegierter Lage im Wasserschloss

    Europas nur Platz 14. Der fette CO2-Fussabdruck durch Importe ist dabei nicht eingerechnet. Es gibt also viel Luft nach oben. Und vor allem ein enormes Interesse daran, beim Klimaschutz voranzugehen. Gerade weil wir als rohstoffarmes Land auf Gedeih und Verderben mit der globalen Staatengemeinschaft verbunden sind, müssen wir die Latte hoch setzen. Denn nur als überzeugendes Vorbild können wir die anderen ins Boot holen. Die Schweiz muss eines der ersten Länder sein, das eine innovative Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe entwickelt. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, die Dekarbonisierung vor Ort technisch und organisatorisch zu beschleunigen. Das gelingt nur, wenn endlich ideologischer Ballast über Bord geworfen wird.

    Weg von den Ideologien!
    Das abgelehnte CO2-Gesetz war bekanntlich stark von ideologischen Kompromissen geprägt. Auch in der Abstimmungskampagne selber wurde mehr über Ordnungspolitik gestritten als über die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen. Die einen plädieren für eine lupenreine Lenkungsabgabe, die anderen für eine «liberale» Klimasteuer, die dritten setzen auf technische Vorschriften und die vierten auf die Förderung von Innovation. «Unser Haus brennt und wir streiten über die Farbe des Feuerwehrschlauchs», brachte der grüne Nationalrat Bastien Girod das Schattenboxen auf den Punkt. Vor allem um die Lenkungsabgabe tobt ein heftiger Richtungskampf. «Lenken» heisst im besten Sinne die Durchsetzen von Kostenwahrheit. Wer viel CO2-Emissionen auslöst, soll mit einer Abgabe für die Schäden aufkommen. Wer die Belastung reduziert, wird durch die Rückerstattung der Abgabe belohnt. So logisch dieser Mechanismus ist, so schwierig ist er offensichtlich an den Mann und an die Frau zu bringen. Die Grünliberalen haben mit einer radikalen Energielenkungsabgabe gar das schlechteste Resultat in der Geschichte der Schweizer Volksinitiativen eingefahren. Nur acht Prozent der Stimmberechtigen sagten 2015 Ja dazu. Es bringt also wenig, für den zweiten Anlauf des CO2-Gesetzes an den Preisanreizen herumschrauben. Wenn wir die Bevölkerung ernst nehmen, brauchen wir einen neuen Instrumentenmix. Für uns GRÜNE stehen dabei Anlagevorschriften für den Finanzplatz, Zielvereinbarungen für die Industrie, die laufende Absenkung von Emissions-Grenzwerten, ein ökologisches Impulsprogramm und der rasche Ausbau von Solarstrom im Vordergrund. Drei Tage nach dem Abstimmungssonntag konnten wir bereits einen ersten Erfolg erzielen: Der Nationalrat unterstützte fast einstimmig die parlamentarische Initiative Girod zur Förderung erneuerbarer Energie. Es ist ein Beleg dafür, dass sich die Parteien nicht aus dem Klimaschutz verabschieden wollen. Immerhin.

    Klimaschutz geht nur sozial
    Die Erfolgschancen von neuen Lösungen werden von der sozialen Ausgestaltung abhängen. Die SVP hat in ihrer Kampagne stark aufs Portemonnaie gespielt. Höhere Benzinpreise, höhere Mietkosten, teure Haussanierungen – mit Fantasiezahlen wurde der Teufel an die Wand gemalt. Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass es der Ja-Kampagne nicht gelungen ist, die absurden Vorwürfe zu kontern. Daran müssen wir arbeiten. Vor allem aber sollten wir die SVP beim Wort nehmen. Will sie glaubwürdig bleiben, muss sie sich nach ihrer «Abzockerplakat»-Kampagne mit den GRÜNEN zusammen für mehr Mieterschutz einsetzen. Oder für tiefe Emissionsgrenzwerte bei Fahrzeugen. Denn so spart eine Familie auf dem Land hunderte von Franken Benzinkosten pro Jahr. Auch bei den Gebäudesanierungen helfen technische Normen weiter. Es genügt die einfache Vorschrift, alte Ölheizungen durch klimafreundliche Alternative zu ersetzen. Mit einem staatlichen Härtefallfonds und Bürgschaften können die Kos- ten für die Haushalte tief gehalten werden.

    2023 kommt es erneut zur Klimawahl
    Für uns Grüne hat die Abstimmung vom 13. Juni bestätigt: Klimapolitik wird nur akzeptiert, wenn sie als gerecht und sozial empfunden wird. Dieser Grundsatz muss die weiteren Arbeiten an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens prägen. Viel Zeit bleibt uns dabei nicht. Neben der Verlängerung des bestehenden CO2-Gesetzes stehen nämlich bereits die Reform des Energiegesetzes und die Behandlung der «Gletscherinitiative» auf der Traktandenliste. Ob es angesichts der Dringlichkeit gelingt, alle Parteien hinter gemeinsamen Vorschläge zu versammeln, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Sicher ist aber heute schon: Die nationalen Wahlen vom Oktober 2023 werden für den klimapolitischen Fortschritt entscheidend sein. Wir GRÜNE sind bereit für die nächste Klimawahl!

    Regula Rytz,
    Nationalrätin, Bern

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