Wie geniesse ich vor Ort und online mit gutem Gewissen Festivals und Konzerte?
Der Festivalsommer 2022 hat Fahrt aufgenommen. Die Musikfans sind im wahrsten Sinne des Wortes heiss auf das Gemeinschaftserlebnis. Und auch auf den Genuss danach, wenn es darum geht, per Audio- oder Video-Streaming die Lieblingssongs oder auch den ganzen Gig nochmals zu erleben. Das alles braucht Strom und erzeugt CO2. Nicht alle Festivals, Konzerte und das dazugehörige Streaming sind jedoch klimaneutral, nachhaltig oder folgen sogar dem Zero Waste Prinzip. Was also kann man tun für ein gutes Gefühl beim Musikgenuss?
Nachhaltige Festivals sind im Trend. Und dieser wird immer stärker. Reichweitenstarke und einflussreiche Musiker/innen wie Coldplay, Billie Eilish oder Ed Sheeran gehen voran und lassen ihre Tourneen so nachhaltig wie nur möglich planen. Denn ein hoher CO2-Ausstoss bei der Anreise, zu viele Einwegprodukte und zurückgelassene Zelte stellen bei Festivals eine hohe Umweltbelastung dar. So bieten einige Festivals regionale und vegetarische/vegane Verpflegung an, sorgen für richtige Abfalltrennung und spenden an gemeinnützige Organisationen.
Mittelfristig nur Vorteile…
Das ganze Thema ums Recycling gehört zu den offensichtlichen und «sichtbaren» Nachhaltigkeitsproblemen einer Veranstaltung. Dazu gehört auch das Thema der An- und Abreise mit dem Auto oder gar dem Flugzeug. Es gibt aber auch weitere Herausforderungen zu bewältigen im Bereich der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. So beispielsweise in der Musik- und Beleuchtungstechnik und bei den sanitären Anlagen. Da wird ebenso viel Energie und/oder Wasser benötigt. Und hier kommt die Wahl des «sauberen Stroms» zum Zuge. Mit Massnahmen wie die Verwendung von Ökostrom, Mülltrennung und die im Ticket inbegriffene Anreise mit dem ÖV haben – das bewiesen einige Studien – besonders bei grossen Festivals mit tausenden von Besucherinnen und Besuchern einen enormen Effekt. Nachhaltige Events haben aber auch andere flankierende Mehrwerte. So heisst es in einem Leitfaden von Zero Waste Schweiz: Die Entsorgungs- und Reinigungskosten werden reduziert, der Veranstaltungsort wird am Ende sauberer sein, das Image in der Öffentlichkeit wird positiv mit Klimaschutz verbunden sein, die Verschwendung wird reduziert und die Öffentlichkeit wird sensibilisiert, indem man mit gutem Beispiel vorangeht.
Am «grünsten» feiert es sich übrigens im eigenen Land. So gibt es auch in der Schweiz Veranstalter, die auf Nachhaltigkeit setzen. Zwei Beispiele (Quelle: nachhaltigleben.ch): Das Open Air St. Gallen mit seinen 30’000 Musikbegeisterten (30. Juni bis zum 3. Juli 2022). Hier kommt Ökostrom zum Einsatz. Damit keine Zelte liegen bleiben, zahlen alle, die ihr Zelt mitbringen, ein Depot. Dafür, dass der anfallende Abfall richtig entsorgt wird, sorgen freiwillige «Trash Heroes», die Abfall einsammeln und Mülltüten verteilen. Zudem baut der Veranstalter das Angebot biologischer, vegetarischer und veganer Speisen aus und bietet ausschliesslich Schweizer Fleisch an. Alle CO2-Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, kompensiert das Open Air St. Gallen seit 2019 in Klimaschutzprojekte und ist somit klimaneutral. Ebenfalls im Juli zieht das Paléo Festival Nyon täglich rund 35’000 Gäste an den Genfersee. Das Festival nutzt ebenfalls nur Ökostrom und über 5’000 Freiwillige sorgen dafür, dass das Gelände sauber bleibt und Abfall richtig entsorgt wird. Auf dem Festivalgelände wird mit biologischen, regionalen Veggi-Speisen gearbeitet und seit 2019 auch mit der App «To Good to Go» gegen Food Waste. Ab 2022 wirkt zudem ein Mehrweg- und Abwaschgeschirrsystem dem Verbrauch von Einweg-Plastik entgegen.
Auch ZeroWaste Switzerland unterstützt beratend, wie man bei Festivals Abfälle an der Quelle reduzieren kann. ZeroWaste Switzerland ist ein gemeinnütziger Verein, der durch seine Aktivitäten und Mitglieder in der Schweiz die Bevölkerung und Akteure aus Wirtschaft und Gemeinwesen zu Zero Waste inspiriert.
Die Verantwortung der Playlist-Anbieter und «Streamer»
Nun aber liegt die Verantwortung nicht einfach bei den Veranstaltern. Auch jene, welche die Festivals streamen beziehungsweise die Playlists erstellen, müssen mitziehen. Timon Spoerndli vom Schweizer Non Profit Startup Stream by Stream, welches sich der Frage der Sinnhaftigkeit stellt und das Thema Nachhaltigkeit konsequent bespielt: «Wir stehen mindestens gleich stark in der Verantwortung. Denn die Mehrzahl von Festival- und Konzertbesucherinnen und -besucher wird nach den Events das Erlebte weiter geniessen wollen und noch mehrmals entweder die Gigs oder einzelne Songs streamen, die ihnen unter die Haut gingen. Um die Emissionen aller Streaming Aktivitäten zu kompensieren, arbeiten wir mit den Event-Veranstaltern zusammen und bitten entweder die Musiker oder den Veranstalter einen Teil der Streaming-Einnahmen an die Umwelt zu spenden. Dafür werden diese Musiker oder der Veranstalter gelobt, gefördert und von den Fans angehimmelt. Da die Freude an nachhaltigem Musikgenuss heutzutage sehr hoch ist, bieten Stream by Stream mehrere «nachhaltige» Playlists an, von Musikern aus aller Welt, die von sich aus der Umwelt sorge tragen und alle ihre Emissionen kompensieren. Diese Musik-Playlisten gewinnen rasant an Beliebtheit und fördern damit auch den Bekanntheitsgrad der Musiker. Somit wird es zu einer Win-Win Situation für Hörer und Musiker, welche beide dieselben Interessen für eine bessere Welt vertreten.
Bei Stream by Stream ist man konsequent: Talentierte Künstler/innen, die interessiert sind, einen Teil ihrer Streaming-Einnahmen für die Wiederaufforstung unseres Planeten zu stecken, kommen auf die Stream by Stream Playlists. Dies sorgt für eine starke Community mit einem gemeinsamen Mindset. Diese Aspekte machen die Beliebtheit und auch den Erfolg von Playlist-Anbietern wie Stream by Stream aus.
Bezüglich Streaming für eine vergleichsweise gute CO2-Bilanz braucht es eine gute Berechnung. Manche arbeiten mit ClimatePartner oder anderen Umweltberatungsunternehmen. Anhand der ausgewiesenen Daten wird ermittelt wie viel CO2 verbraucht wird. Durch die Analyse des CO2-Verbrauchs wird eingeschätzt, an welchen Bereichen in Zukunft geschraubt werden muss. Rechenzentren werden mit Ökostrom oder direkt per Windkraftanlage betrieben (Beispiel: Zattoo).
Was dann nicht durch Reduzierung eingespart wird, muss ausgeglichen werden. Meistens geschieht dies über die Unterstützung von zertifizierten Klimaschutzprojekten, welche die gleiche Menge CO2 einsparen wie die Gesamtheit an CO2, die jährlich verbraucht wird. Timon Spoerndli: «Beim Klimawandel geht es nicht nur um Technologie und Ressourcen. Auch ein sozialer, kultureller und philanthropischer Ansatz kann dazu beitragen. Wir belohnen einfach jene umweltorientieren Musiker mit Anerkennung, welche ihrerseits unsere Umwelt und indirekt auch uns belohnen. Es gibt kein besseres Medium als Musik, um all diese Menschen in einer Community zu vereinen und einen sozialen Wandel anzustossen.»
JoW
Streamen und Umweltschutz – So kann’s gehen…
Streaming braucht Energie – viel Energie. Das ist eigentlich nicht im Sinne einer immer breiter werdenden Community, welche sich um das Thema Nachhaltigkeit kümmert. Ist deshalb Streaming schlecht für den ökologischen Fussabdruck? Nicht unbedingt, wenn man die Sache so anpackt wie das junge Unternehmerduo Easnadh Reddington und Timon Spoerndli. Sie haben ein Non-Profit Startup gegründet, das sich einer ganz besonderen Frage der Sinnhaftigkeit stellt und das Thema Nachhaltigkeit nicht nur posaunt, sondern auch lebt. Und darum geht es: Künstler/innen, die interessiert sind, einen Teil ihrer Streaming-Einnahmen für die Wiederaufforstung unseres Planeten zu stecken, kommen auf die Stream by Stream Playlists. Diese haben die Möglichkeit, ein Drittel ihrer Streaming-Einnahmen oder die gesamten Streaming-Einnahmen zu spenden. Die Spende geht an OneTreePlanted. Die in Vermont, USA, ansässige gemeinnützige Organisation führt Baumpflanzprojekte in der ganzen Welt durch. Mit Hilfe von Botanikern und Geographen sind sie in der Lage, die Bäume dort zu pflanzen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Wenn man also die Playlists hört, werden nicht nur die Lieblingskünstler/innen, sondern auch die Wiederaufforstung unterstützt. In Zukunft sollen auch andere Projekte wie Trinkwasser, Ozeane und humanitäre Hilfe einbezogen werden.