Ohne Anreize, keine Motivation

    Einige Gemeinden setzen immer stärker auf Solarenergie für ihre kommunalen Gebäude. Auch wenn die Rahmenbedingungen – trotz des klaren Bekenntnisses des Stimmvolkes zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 – zuletzt in der Schweiz nicht immer optimal waren.

    (Bild: Fotolia) Immer häufiger: Gebäudehüllen nach Minergiestandard für öffentliche Gebäude oder Verwaltungen.

    Es müssen nicht immer Solarpanels auf dem Dach sein: Die Solarenergie als Teil der Gebäudehülle ist ein klarer Trend – auch bei kommunalen Gebäuden und bei Restaurierungen von historischen Kernzonen. Der gebäudeintegrierten Photovoltaik, die kaum erkennbar ist und daher – oft wichtig für den Entscheid für dieses System – im Ortsbild wenig stört, wird eine wachsende Nachfrage prophezeit. Vor allem in historischen Kernzonen und auf geschützten Altbauten sind bauliche Lösungen gefragt, die den Charakter bestehender Gebäude nur geringfügig oder gar nicht verändern.

    Neubauten nach Minergiestandart und gebäudeintegrierter Photovoltaik
    In vielen Ortschaften, zum Beispiel in der Stadt Carouge, wo man Denkmalschutz und Solarenergienutzung kombiniert, setzt man auf gebäudeintegrierte Photovoltaik. Ein weiteres Beispiel: Bis ins Jahr 2050 sollen alle Gebäude im Kanton Basel-Landschaft den Anforderungen der «2’000-Watt-Gesellschaft» entsprechen. Damit dieses Ziel erreicht wird, hat der Kanton Basel-Landschaft das «Baselbieter Energiepaket» gestartet. Darin werden unter anderem verschiedene Energiesparmassnahmen finanziell unterstützt. Insgesamt stehen bis ins Jahr 2020 rund 50 Millionen Franken zur Verfügung. Zusätzlich unterstützt beispielsweise die Gemeinde Oberwil/BL den Bau von thermischen Solaranlagen sowie die Wärmedämmung von Gebäuden. Insgesamt beinhaltet das Baselbieter Energiepaket neun Förderbereiche, darunter auch Neubauten nach MINERGIE-P-Standard, um diesem besonders energieeffizienten Gebäudestandard zum Durchbruch zu verhelfen. Solche Energiestrategien fahren die meisten Gemeinden in der Schweiz. Mit mehr oder weniger Nachdruck und Fördermittel und Anreizsystemen.

    Gemeinden sollten energiepolitischen Handlungsspielraum ausschöpfen
    Im Rahmen der Energiestrategie des Bundes wird den Städten und Gemeinden also eine wichtige Rolle zuteil. Sie sollen ihren energiepolitischen Handlungsspielraum ausschöpfen, die energiepolitischen Aktivitäten verstärken und ihre Vorbildfunktion wahrnehmen. Insbesondere wird auch der Einbezug kleinerer Gemeinden angestrebt. Die Gemeinden besitzen Bauten im Verwaltungs- und Finanzvermögen wie Gemeindehäuser, Verwaltungen, Schulen, Werkgebäude beziehungsweise Werkhöfe, Mehrfamilienhäuser und so weiter. Die Erfassung der Energie- und Wasserverbräuche oder eine Gebäudeenergieanalyse sind Voraussetzungen, um Massnahmen im Gebäudebereich konkret zu planen. Mit Sanierungsprojekten und Betriebsoptimierungen gehen viele Gemeinden mit gutem Beispiel voran. Die Gebäude- und Beschaffungsverantwortlichen können wichtige Impulse zur Verminderung des Energieverbrauchs setzen, eine Schulung des Personals ist deshalb eine Daueraufgabe der Gemeinde. Dazu gehört auch, dass man über die aktuellen Trends Kenntnisse sammelt und diese berücksichtigt, wie eben solare Bauteile in die Gebäudehülle funktional zu integrieren.

    Studien zeigen, dass auf den Dächern und Fassaden der Schweiz rund die Hälfte des Strombedarfs mit Solarmodulen erzeugt werden könnte. Die Integration der Photovoltaik ins Energiesystem der Zukunft ist ein entscheidender Aspekt für die Energiestrategie einer jeden Gemeinde oder Stadt. Der steigende Anteil von Solarstrom im Stromnetz muss bewirtschaftet werden. Dies könnte durch Nutzung von Elektromobilität und Batteriespeichern unterstützt werden. Diese Punkte sind für die Energiebewirtschaftung der Gemeinden enorm wichtig.

    Auch ins Stadtbild muss es passen…
    Nicht unbedeutend für eine Gemeinde ist hierbei die ästhetische Komponente (im Zusammenhang mit dem Stadtbild). Bei Minergie-Neubauten oder -Sanierungen ist diese Herausforderung nicht so gross. Bei den Solarpanels jedoch schon. Aber auch da gibt es Alternativen: Die immer dünner werdenden Photovoltaikpanels erlauben nämlich neu architektonisch ansprechende Lösungen und lassen sich als robuste Abdeckung in eine vorgehängte Fassadenkonstruktion integrieren. Trotz des geringeren Ertrags im Vergleich zu einer Dachanlage bieten Solarelemente an der Fassade auch energetische Vorteile: Der Winteranteil ist aufgrund der Neigung deutlich höher. Zudem verbessert die Hinterlüftung in der Fassade den Wirkungsgrad – der Ertrag ist von der Systemtemperatur abhängig. Zu den viel beachteten Referenzbauten gehören etwa Bergbahnstationen oder SAC-Hütten mit schwarz glänzender Solarfassade. Der Gestaltungsvielfalt sind aber fast keine Grenzen gesetzt. Inzwischen sind vielfältige, halb transparente Bauteile mit integrierten PV-Dünnschichtzellen erhältlich, die Strom erzeugen und gleichzeitig Sonnenschutz bieten. Vertikal an die Hausfassade installiert, können diese zum Beispiel den Gartensitzplatz wirksam beschatten (Quelle: hausinfo.ch).

    Globaler Trend ungebremst – Stagnation in der Schweiz?
    Knapp ein Jahr nach dem Ja zum Energiegesetz und somit zum Bekenntnis zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 wurden im April 2018 an der 16. Nationalen Photovoltaik-Tagung von Swissolar genau diese neuen Aspekte und weitere interessante Trends und Fakten analysiert. Die wichtigsten Themen waren: Wie ist die Marktentwicklung und wie stehen die Marktchancen für Solartechnik in der Schweiz? Wie funktionieren Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch und wie können Solaranlagen noch besser in die Gebäudehülle integriert werden? Sind die Synergien zwischen Verteilnetzen, Photovoltaik, Batterien und Elektromobilität zu optimieren und was läuft in der Photovoltaik-Forschung? Gemessen an der installierten Leistung war Photovoltaik (Solarstrom) die Energieerzeugungstechnologie, die beispielsweise im 2017 weltweit am meisten zugelegt hat. Allein die letztes Jahr neu installierte Leistung von rund 100 Gigawatt (33 Prozent mehr als im Vorjahr) könnte mehr als das Doppelte des jährlichen Schweizer Stromverbrauchs decken. Nun wird mit einem weiteren globalen Marktwachstum von 20 bis 50 Prozent gerechnet. Soweit der Trend im weltweiten Markt. Etwas anders sieht die Sachlage in der Schweiz aus. Swissolar gehe da von einem stagnierenden Photovoltaikmarkt aus. Die neu installierte Leistung dürfte bei 240 Megawatt liegen, was etwa 1,5 Millionen Quadratmetern und zirka 220 Fussballfeldern entspricht. Damit würde der Anteil des Solarstroms am Schweizer Stromverbrauch nur um ein halbes Prozent auf rund drei Prozent steigen. Immerhin wäre Solarstrom nach der Wasserkraft die zweitwichtigste erneuerbare Stromquelle.

    Aufschwung dank besserer Rahmenbedingungen
    Aber es gibt einige Änderungen: Die im Rahmen der Energiestrategie 2050 angepassten Gesetze und Verordnungen könnten bald richtig greifen, da nunmehr günstigere Rahmenbedingungen für den Bau grosser Photovoltaikanlagen herrschen. «Allerdings nur dann, wenn ein wesentlicher Teil des Stroms zeitgleich an Ort und Stelle verbraucht werden im Eigenverbrauch genutzt wird und wenn Investoren mit den langen Wartefristen für die Auszahlung der Einmalvergütung umgehen können», heisst es von Swissolar. Deshalb wohl sind in letzter Zeit nicht so viele neue Solaranlagen wie eigentlich erwartet auf Fabriken oder Bauernhöfe dazu gekommen. Bei der grossen Einmalvergütung wartet man eventuell bis zu sechs Jahre. Bei den kleinen Anlagen beträgt die Wartezeit ein bis zwei Jahre.

    Ohne Anreize, keine Motivation
    Bei der Nutzung der Solarwärme (Solarthermie) rechnet Swissolar laut letzten eigenen Statistiken mit einem stabilen Markt. «Für den weiteren Ausbau der Solarwärme ist nun die rasche Umsetzung der neuen koordinierten Energiegesetze in den Kantonen (MuKEn 2014) sehr wichtig. Dieses Regelwerk schafft unter anderem Anreize, bei Heizungssanierungen Sonnenkollektoren zur Warmwasserbereitung einzusetzen. Solarwärme kann wesentlich dazu beitragen, den hohen Anteil des Schweizer Gebäudeparks an den Treibhausgasemissionen bis zu 40 Prozent zu reduzieren», sagte  David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar und Leiter Kommunikation.

     Die globale Entwicklung der Photovoltaik ist und bleibt in der Tat spektakulär: In einem Vortrag der beiden Schweizer Träger des renommierten Becquerel-Preises für aussergewöhnliche Leistungen im Bereich der Photovoltaik, Christophe Ballif und Stefan Nowak, heisst es, dass Solarstrom auf dem Weg zur wichtigsten Stromquelle weltweit sein dürfte. In der Schweiz waren indes Solarprojekte jahrelang wegen ungenügender Rahmenbedingungen blockiert. Jetzt aber können die Projekte wieder mit einer Förderung rechnen, müssen jedoch, wie schon erwähnt, einen relevanten Anteil ihrer Produktion selbst verbrauchen, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.

    Komplexe Projekte
    Auch die jetzt möglichen «Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch» über Grundstücksgrenzen hinweg werden in der Branche als neue Chance gefeiert. Für die Gemeinden ein interessanter neuer Aspekt. Vertreter des Hauseigentümerverbands Schweiz, des schweizerischen Mieterverbands, des Verband schweizerischer Elektrizitätsunternehmen sowie der Solarwirtschaft haben das gemeinsame Interesse, diese innovative Lösung voranzubringen. «Solche Projekte verlangen aber ein erhöhtes Verständnis für die Integration der Solarenergie in die Gebäudetechnik, was mit dem Projekt Solarbildung Schweiz 2020 von Swissolar gewährleistet werden soll», heisst es von Swissolar. Nationalrat Roger Nordmann, Präsident von Swissolar ergänzte bei einer Podiumsdiskussion an der 16. Nationalen Photovoltaik-Tagung: «Nur so kann die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaprotokoll umsetzen. Der Ersatz von Benzin und Heizöl führt zu einem steigenden Strombedarf, der mit erneuerbaren Quellen gedeckt werden muss.»

    JoW


    Typisch Schweiz: Innovative Forschung

    Nach wie vor ist Innovation eine der grossen Treiber im Bereich Photovoltaik.

    Die Schweizer Forschung und Industrie ist nach wie vor in diesem Bereich Weltspitze und sehr innovativ. Eine wichtige Rolle nehmen dabei die Fachhochschulen ein. Aktuelle Forschungsschwerpunkte für vom Bundesamt für Energie (BFE) geförderte Aktivitäten sind aktuell: Eine Effizienzsteigerung der einzelnen Komponenten, industrielle Umsetzung neuer Produkte und Herstellungsverfahren, Qualitätssicherung, Erhöhung der Anlagen-Zuverlässigkeit. Man forscht – wie an der Photovoltaik-Tagung in Bern eingehend behandelt – auch nach neuen Lösungen für die Integration der Photovoltaik sowohl in Gebäuden wie auch im elektrischen Netz. Im Bereich der Nachhaltigkeit möchte man eine Verminderung von Energie- und Materialeinsatz bei der Produktion oder der Rezyklierung erzeugen. Bei der Weiterentwicklung und industriellen Umsetzung verschiedener Solarzellentechnologien sucht man nach Konzepten für sehr hohe Wirkungsgrade. Ausserdem: Die Entwicklung neuartiger Modultechnologien für eine verbesserte Integration von Solaranlagen in Dächer und Fassaden steht ganz oben auf der Prioritätenliste sowie die Integration von Photovoltaikanlagen ins elektrische Netz (Modellierung und Vorhersagen, Entwicklung multifunktionaler Komponenten und Zusammenspiel mit dezentralen Speichern).

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