Wie rette ich Natur über meine Endlichkeit hinaus?

    Meinen Lieblingsbaum im Garten kann noch vielen weiteren Generationen Freude bereiten und Schatten spenden. Kann ich ihn vor der Motorsäge auch dann noch bewahren, wenn ich ihn selbst nicht mehr direkt schützen kann?

    (Bilder: zVg) Gartenteich unter dem Baugerüst. Dieses Amphibienparadies in Wettingen geht verloren. Die Pflicht zur Erhaltung der bundesrechtlich geschützten Amphibien wurde übersehen.

    Es sind Fragen, die an die letzten Dinge rühren. Wer pflegt den Obstgarten meines Grossvaters, der mich viele Jahre mit den saftigsten, aromatischsten Früchten der Welt beschenkte? Wer ersetzt absterbende Bäume, wenn ich selbst nicht mehr dafür sorgen kann? Was geschieht mit meinem Waldstück, mit dem mich so viele Erinnerungen verbinden? Wie kann ich die Blumenwiese, auf der seit Generationen einheimische Orchideen wachsen, vor dem vernichtenden Güllenschlauch bewahren?

    Ich freue mich jeden Frühling auf die ersten Kröten und Molche, deren Entwicklung ich seit meiner Kindheit so gerne beobachte. Was passiert mit meinem Gartenteich, wenn ich nicht mehr bin? Wie kann ich die Natur über meine Vergänglichkeit hinaus für weitere Generation erhalten?

    Solche Fragen stellen sich mit «abnehmender Restlaufzeit» naturbegeisterte Menschen immer häufiger. Verdrängen Sie sie nicht, liebe Leserin, lieber Leser. Denn wer sich frühzeitig darum kümmert, kann künftigen Generationen zuliebe vieles für die Natur bewirken. Obstgärten am Rande der Siedlungen wurden in den vergangenen 50 Jahren hektarenweise eingezont und überbaut. Ein Baum wächst über viele Jahrzehnte – in einer Stunde ist er unwiederbringlich weg, gefällt und gehäckselt. Auch fallen alte Bäume unnötigen Nachbarschaftsstreitigkeiten zum Opfer. Riesige Vollernter fahren durch den Wald und hinterlassen tiefe Wunden im Waldboden. In dem Waldboden, der einst von unseren Vorfahren sorgfältig mit Augenmass und Wissen um die Zusammenhänge in der Natur bewirtschaftet wurde. Grosse Einfamilienhausparzellen werden im Zuge der – an sich sinnvollen – Verdichtung der Bauzonen überbaut, oft ohne dass auf bestehende Naturwerte Rücksicht genommen wird. Magere Wiesen werden gedüngt, weil die Landwirte nicht wissen wohin mit dem Gülleüberschuss.

    Bäume sind ein Generationenprojekt
    Ja, man kann etwas tun, man muss sich jedoch rechtzeitig erkundigen und vorsorgen. Viele Gemeinden führen ein Baumkataster. Besprechen Sie sich mit fachkundigen Leuten darüber, ob Ihr geliebter Baum nicht vielleicht schutzwürdig ist. Gründe dafür gibt es viele. Eichen zum Beispiel beherbergen hunderte Insekten, welche auf diese Baumart zwingend angewiesen sind. Generell spenden grosse, alte Bäume Schatten und verdunsten viel Wasser. Dadurch tragen sie zur lokalen Milderung der Folgen des Klimawandels bei. Schliesslich prägt ein Baum auch das Ortsbild. Ist ein Baum erst mal im Baumkataster, ist er geschützt, jedenfalls bis er zum Sicherheitsrisiko wird.

    Die Sache mit dem Gartenteich
    Wandernde Amphibien haben es schwer in unseren Siedlungen. Unterwegs zu ihren Laichgewässern drohen viele Gefahren. Will man einen Gartenteich neu anlegen, sollte man daher den Standort sorgfältig auf die Eignung prüfen und allenfalls andere naturnahe Strukturen schaffen, die ebenso spannende Naturbeobachtung ermöglichen. Wo sich jedoch Amphibien über Jahre halten und vermehren, sollten Gartenteiche unbedingt erhalten werden, und müssen sie dennoch verschwinden, sollte für Ersatz gesorgt werden. Denn solche Trittsteinpopulationen machen die Siedlungen durchgängig – nicht nur für Amphibien, sondern auch Igel und Insekten. Kröten und Molche verzehren zudem Insekten und Schnecken und sorgen somit ohne Gift für Gleichgewicht. Machen Sie die Gemeinde frühzeitig auf die Amphibien aufmerksam. Sie sind bundesrechtlich geschützt. Die Aufnahme ins kommunale Naturinventar verhindert, dass Ihre Naturwerte bei allfälligen Baugesuchen übersehen werden.

    Obstgarten und Blumenwiese
    Natur findet immer auf Land statt. Wer so glücklich ist, Landwirtschaftsland mit Obstbäumen, Blumen- und Magerwiesen zu besitzen, hat eine grosse Chance und Verantwortung für ein grosses Naturpotenzial. Wer seinen Boden, die Bäume darauf und andere Naturwerte über weitere Generationen erhalten möchte, wendet sich am besten an eine Naturschutzorganisation. Birdlife und Pro Natura z.B. sind statutarisch verpflichtet, Natur und Landschaft zu schützen und die Arten zu erhalten. Sie haben Jahrzehnte Erfahrung und sichern in Zusammenarbeit mit erfahrenen Landwirten die Naturwerte. Gehört das Land Birdlife oder Pro Natura, gibt es keine Handänderungen mehr, so dass die Bewirtschaftung nicht mehr von der Situation des Bewirtschafters und der Politik abhängt. Diese Flächen sind in der Hand statutarisch verpflichteter Organisationen nach ökologischen Kriterien auf lange Sicht gesichert.

    Und wer kein Land hat?
    Die wenigsten von uns haben Landwirtschaftsland geerbt, und wer nicht Landwirt ist, kann keines kaufen. Wald dagegen, sofern er auf den Markt kommt, können alle kaufen – hier, für sich, für den Naturschutz – oder weltweit. Ich zum Beispiel setze alles daran, für die Indigenen in der argentinischen Provinz Misiones Waldflächen zu organisieren. Die Mbyá Guaraní fühlen sich als Teil des Waldes und den Wald als Teil von sich selbst. Dieses Volk kann und will den Wald erhalten. Doch erst müssen sie ihn zurückbekommen.

    Johannes Jenny


    Johannes Jenny, ist promovierter Biologe, war 24 Jahre lang Geschäftsführer von Pro Natura Aargau, auch seine Restlaufzeit nimmt ab. Er stellt Ihnen gerne seine Erfahrung zur Verfügung, geht es um Ihre Naturwerte. Er berät Sie gerne bei Ihrem persönlichen Beitrag zur Erhaltung der Wunder der Natur. johannes.jenny@bluewin.ch

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