Contra CO2-Gesetz
Leroy Bächtold und Alain Schwald gehören zu den interessanten Köpfen einer neuen Generation von Freisinnigen. Das CO2-Gesetz lehnen sie als teuer und wenig wirksam ab. Um den Klimawandel zu stoppen, gebe es viel bessere Alternativen.
Herr Bächtold, Herr Schwald, Sie treten als freisinnige (Jung-)Politiker gegen das neue CO2-Gesetz an. Was ist aus Ihrer Sicht schlecht daran?
Alain Schwald: Das neue CO2-Gesetz ist ineffizient, teuer und wenig wirksam. Anstatt alle Branchen und Technologien gleich zu behandeln, wird jede Branche und Technologie anders besteuert und reguliert. Das ist nicht nur ineffizient, sondern auch unfair. Und es zeigt auch, dass dieses Gesetz am Ende nichts anderes als ein Gesetz von Lobbyisten ist. Mit dem neuen Gesetz sollen in Zukunft über 1 Milliarde Franken pro Jahr für Subventionen eingesetzt werden. Verbände wie Swisscleantech warten nur auf dieses Geld. Dieses Geld wird dem Konsumenten aus der Tasche gezogen. Im Endeffekt ist das Gesetz auch wenig wirksam. Die Flugticketabgabe oder die Erhöhung der Treibstoffpreise werden den CO2-Ausstoss der Schweiz kaum bis gar nicht beeinflussen.
Die Befürworter berufen sich auf die Verpflichtungen des Pariser Klima-Abkommens, das die Schweiz mitunterzeichnet hat, und sprechen von einem «tragfähigen Kompromiss». Was entgegnen Sie?
Alain Schwald: Das ist ein Trugschluss. Das CO2-Gesetz erreicht die Ziele von Paris gar nicht. Das kann es auch nicht, weil es nur bis 2030 «wirkt». Unsere Alternative ist der Aufbau eines umfassenden Emissionshandels für die ganze Wirtschaft, welcher an die Ziele des Pariser Abkommens gekoppelt ist. Zudem würde ich bezweifeln, dass ein Gesetz, welches ineffizient, teuer und wenig wirksam ist, einen guten Kompromiss darstellt.
Mit Ihrem Engagement stellen Sie sich gegen den Kurs der FDP Schweiz und von Parteipräsidentin Petra Gössi. Wie offen ist die Partei für eine solche kritische Auseinandersetzung?
Alain Schwald: Ich denke, dass die Parteibasis sehr offen für kritische Auseinandersetzungen ist. Das Parteiestablishment ist hingegen für ein solche kritische Auseinandersetzung kaum zu haben.
Petra Gössi hat die nationale FDP mit ihrem Schwenker vor den eidgenössischen Wahlen 2019 auf die Energiewende eingeschworen. Wie stark ist dieser neue Kurs denn in der Basis verankert?
Alain Schwald: Gute Frage. Ich würde mir nicht anmassen zu wissen, was die Basis denkt. Meine Erfahrung ist jedoch, dass viele nur hinter dem Kurs stehen, weil sie sagen «Wir müssen etwas tun», und weil man Angst vor Wahlverlusten hat. Würde man liberale Alternativen, wie wir sie vorschlagen, breiter in der Partei diskutieren, würde der Rückhalt schnell schwinden. Zudem muss man vielleicht noch sagen, dass der Jungfreisinn die Kehrtwende von Petra Gössi nie mitgemacht hat und diese entschieden ablehnt.
Sie setzen sich für eine liberale Klimapolitik ein, unter anderem mit der «Zukunft Klimapolitik Schweiz», einem Aktionsbündnis der bürgerlichen Jungparteien in Zusammenarbeit mit Landwirten und Vertretern der Wirtschaft. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Leroy Bächtold: Zukunft Klimapolitik Schweiz wurde gegründet, um Jugendlichen zu ermöglichen, sich für eine konstruktive Klimapolitik zu engagieren. Im Gegensatz zum Klimastreik wollen wir keinen Systemwechsel oder den Rechtsstaat übergehen. Wir sind der Meinung, dass die Schweiz über ein starkes System verfügt, welches uns effektive Lösungen gegen den Klimawandel ermöglicht. Dieses System soll gestärkt werden.
Im Abstimmungskampf über das CO2-Gesetz sind die Kosten ein entscheidender Faktor. Das neue Gesetz sieht massiv höhere Abgaben für Benzin, Öl- und Gasheizungen sowie eine Flugticketabgabe bis zu 120 Franken vor. Wie passt das zu einer Partei wie der FDP, die sich selbst «die Liberalen» nennt?
Alain Schwald: Ich weiss es nicht. Meiner Meinung nach passt es in keiner Art und Weise. Aber dies müssen Sie Petra Gössi oder die Bundeshausfraktion fragen.
Welche Alternativen sehen Sie zur Abgaben- und Verbotspolitik?
Alain Schwald: Wir haben eine liberale Alternative erarbeitet, welche nachhaltig, effizient und langfristig ist. Im Kern setzt sie auf einen massiven Ausbau des Emissionshandels. Ökonomen sind sich einig, dass die Bepreisung von CO2 der effizienteste Weg zu Erreichung des Klimaziels – Netto null 2050 – ist. Dies lässt sich auf zwei Arten erreichen: Emissionshandel oder CO2-Steuer. Aus liberaler und ökonomischer Sicht ist der Emissionshandel der CO2-Steuer vorzuziehen, da dieser die zureichende Emissionsmenge direkt festschreibt. Des Weiteren möchten wir die Mineralölsteuer abschaffen und durch ein Mobility Pricing System ersetzen, neue Kernkraftwerke bauen, und wir unterstützen Bestrebungen, welche die Landwirtschaft «CO2-ärmer» machen (Trinkwasserinitiative oder Agrarpolitik 2022+).
Leroy Bächtold: Daneben sehen wir die Förderung von Innovation und Investitionen in nachhaltige Projekte als essentiell an. Dies soll möglichst mit Steuerbefreiungen vonstatten gehen.
Innovationen und technologischer Fortschritt sind die Treiber des ökologischen Wandels. Wo steht die Schweiz hier im internationalen Vergleich?
Alain Schwald: Ohne jeden Zweifel an der Weltspitze. ETH-Spinoffs wie Synhelion oder Climeworks sind nur die Spitze des Eisberges. Viele Schweizer Firmen, insbesondere KMU, sind führend, wenn es um umweltschonende Technologien geht. Es kommt nicht von ungefähr, dass der japanische Fahrzeughersteller Hyundai seine Wasserstofflastwagen als erstes in die Schweiz exportiert. Übrigens ein Projekt, an dem die als böse verschriene Schweizer Erdölbranche an vorderster Front beteiligt ist. Sie bauen das Wasserstoff-Tankstellennetz.
Das sind in der Tat vielsprechende Erfolge. Aber was müssen wir tun, um ein noch kreativeres Umfeld für wissenschaftlich-technologische Neuerungen zu schaffen?
Alain Schwald: Weniger Regulierung und weniger bürokratische Hürden – es kann zum Beispiel nicht sein, dass man für die Betriebsbewilligung einer Wasserstofftankstelle in gewissen Kantonen ewig warten muss. Und die Regulierungen müssen technologieoffen und technologieneutral sein. Das CO2-Gesetz erfüllt das nicht. Es ist ein Innovationskiller.
Das Thema «Klimawandel» dominiert die umweltpolitische Debatte fast komplett. Daneben gibt es ja noch viele andere Umweltanliegen. Wo würden Sie die Prioritäten setzen?
Leroy Bächtold: Eine Priorität, die indirekt auch mit dem CO2-Gesetz zu tun hat, ist die Versorgungssicherheit. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz hat in seinem Risikobericht von Ende 2020 die Strommangellage als grösstes Risiko für die Bevölkerung identifiziert, noch vor einer Pandemie. Der Schaden wird auf über 180 Milliarden Franken geschätzt! Eine Forcierung auf erneuerbare Energien verstärkt das Risiko einer Strommangellage noch deutlich. Im Winter in der Nacht bei Windstille sieht es schwierig aus ohne Import von Kohlestrom aus Deutschland. Ein Umbau der Energiewirtschaft ausschliesslich auf Erneuerbare könnte uns langfristig sehr viel mehr Kosten als die veranschlagten Subventionen und Steuern, die jetzt schon bekannt sind.
Letzte Frage: Wie wird die Abstimmung über das CO2-Gesetz am 13. Juni ausgehen? Worauf tippen Sie?
Leroy Bächtold: Auf kantonaler Ebene wurden in den letzten Jahren überraschend Energiegesetze abgelehnt, so in Bern und im Aargau. Ich bin überzeugt, dass auch auf nationaler Ebene sich die Befürworter zu sicher sind. Die Bevölkerung ist fähig, über die ideologische Argumentation der Befürworter hinaus zu sehen und wird das Gesetz ablehnen.
Philipp Gut
Zur Person
Leroy Bächtold, 27, Unternehmer, ist Vorstand der FDP Zürich Kreis 7/8, Co-Präsident des Bündnisses «Zukunft Klimapolitik Schweiz», Präsident der IG Schleichverkehr und einer der profiliertesten Jungliberalen des Landes. Gemeinsam mit Kollegen sammelte er 250’000 Unterschriften für die «Stopp Lockdown»-Petition.
Alain Schwald, 30, Volkswirt und Wirtschaftshistoriker, ist im Vorstand der FDP Bezirk Affoltern und der Jungfreisinnigen Kanton Zürich.