Windkraftwerke – was heisst hier saubere Energie?

    Die Energiewende ist heute ein Schlagwort, das unantastbar geworden ist. Alternativen zur Atomenergie werden grundsätzlich als saubere Energie gefeiert und mit Eifer und Millionen gefördert, ungeachtet ihrer Folgewirkungen auf Mensch und Natur. Wenn ich hier als Präsident des St.Gallischen Jägervereins Hubertus das Thema aufgreife, so nicht als Gegner alternativer Energieerzeugung, aber in der Überzeugung, dass gerade wir Jäger der Tierwelt im Interessenkonflikt «Energie versus Natur» eine Stimme geben müssen. Dies drängt sich um so mehr auf, als grosse Windkraftwerke immer stärker in wertvolle Waldgebiete drängen und nebst Vögeln und Fledermäusen zusehends auch Landsäugetiere gefährden.

    (Bild: pixabay) Störung im Lebensraum: Windkraftwerke gefährden Fauna und Flora.

    Wenn heute neue Windkraftwerke zur Diskussion stehen, bleibt Opposition nicht aus. Im Vordergrund stehen dann jeweils – oft zu recht – Argumente des Landschaftsschutzes sowie Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Bevölkerung in der näheren und weiteren Umgebung durch massive Lärmeinwirkung sowie durch Eis- oder Schattenwurf. Kaum je werden die negativen Auswirkungen auf die Fauna thematisiert oder gar untersucht. So ist es symptomatisch, dass bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die erst ab Windparks mit über 5 MW Leistung vorgeschrieben ist, Säugetiere gar nicht erwähnt werden und weder Wildkorridore von nationaler Bedeutung noch Wildruhezonen als potenzielle Konfliktgebiete aufgeführt sind. 

    Lebensräume bleiben aussen vor
    Ein sehr bedenkliches Beispiel für diese eingeengte Betrachtung lieferte der Bericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden zum geplanten Windkraftwerk auf der Hochalp. So schreibt das Departement Bau und Umwelt: «Das Windpotenzialgebiet Hochalp ist aus energetischer, wirtschaftlicher und lärmtechnischer Sicht der interessanteste Standort in Appenzell Ausserrhoden. Die nächstgelegenen Siedlungen (Urnäsch, Nesslau-Krummenau) sind mindestens 3 km entfernt. Da das Gebiet gut einsehbar ist und in einer Länge von ca. 1 km an das BLN-Gebiet Säntis (BLN = Bundesinventar der Landschaften von nationaler Bedeutung) grenzt, birgt es ein grosses Konfliktpotenzial.»

    Als Problem wird also einerseits der Lärm angesehen, der jedoch in 3 km Entfernung keine Rolle mehr spielen soll. Dass die Tierwelt aber nicht in Nesslau oder Urnäsch lebt, interessiert nicht. Noch unverständlicher wird diese Sichtweise, wenn man weiss, dass die Anlage auf der Hochalp mitten in eine bedeutende Wildruhezone gestellt werden soll. Andererseits wird die gute Einsehbarkeit der Anlagen auf der Hochalp als landschaftsschützerisches Konfliktpotenzial gesehen, während die direkten negativen Auswirkungen auf den Lebensraum in dieser Landschaft unerwähnt bleiben. Auch hier bleibt nur Unverständnis, wenn man weiss, dass in unmittelbarer Nähe zu den geplanten acht Grosswindrädern auf der Hochalp die nördlichsten Vorkommen des stark bedrohten Auerhuhns im Alpenraum leben.

    Bedrohung der Vogelwelt gut dokumentiert
    Zumindest in den Konfliktlinien mit der Vogelwelt sind solch einseitige Bewertungen von Windpark-Standorten inakzeptabel. Denn die negativen Einflüsse von grossen, horizontalen Windrädern auf Vögel und Fledermäuse sind bestens dokumentiert. So kommt eine Studie der Deutschen Wildtier Stiftung zum Schluss, dass in Deutschland jährlich eine Viertel Million Fledermäuse Windkrafwerken zum Opfer fallen. Dabei werden nicht alle Tiere direkt erschlagen, sondern bei vielen platzen die Lungen auf Grund der grossen Luftdruckschwankungen. 

    Bei Vögeln ist die grosse Gefährdung von Zugvögeln ebenso belegt wie das Tötungsrisiko für die Segel- und Gleitflieger, allen voran für Greifvögel und Eulen, insbesondere den Uhu. Allein in Brandenburg werden pro Jahr rund 300 Rotmilane gezählt, die von Windturbinen erschlagen werden. Dies entspricht über 3% der Population und liegt an der Grenze einer Beeinträchtigung auf Populationsebene. 

    Aber auch Vögel, die nicht direkt durch Windräder zu Tode kommen, sind in hohem Masse bedroht. Dies vor allem durch Störungen in ihrem Lebensraum. Davon betroffen sind bei uns vor allem Raufusshühner (Auerhuhn, Birkhuhn) und Schnepfen, aber auch viele andere Vogelarten, die im und am Wald ihre Brut- und Balzplätze haben.

    Landsäugetiere gingen bis jetzt vergessen
    Um so erstaunlicher ist es, dass bis heute kaum eine Studie bekannt ist, die sich mit den Auswirkungen auf die Landsäugetiere auseinandersetzt. Die Bundesämter schätzen die Lage «eher unproblematisch» ein und sehen in ihren Richtlinien keinen Handlungsbedarf vor. Wer aber – wie wir Jäger – unsere heimischen Huftiere, Raubtiere, Nager und Hasen regelmässig beobachtet und weiss, wie sensibel viele dieser Tierarten auf Störungen reagieren, kann über die behördlichen Beschwichtigungsversuche nur den Kopf schütteln. Denn Windkraftanlagen machen nicht nur Lärm, sondern werfen auch fliehende Schatten und im Winter zum Teil massive Eisbrocken. Vor allem aber werden beim Bau von Anlagen, Zufahrtsstrassen und Zuleitungen wertvolle Lebensräume zerstört. Gerade die Zufahrtsstrassen, die nebst dem betrieblichen Verkehr rasch auch Freizeitsportler anziehen, stellen ein hohes Störungspotenzial dar. Eine der wenigen verfügbaren Studien dokumentiert am Beispiel eines Windparks in der Steiermark ein stark verändertes Verhalten von Rothirschen, die mindestens 150 Meter Abstand zu Windanlagen halten und vor allem wichtige Wildwechsel nicht mehr annehmen.

    Windkraftwerke gehören nicht in den Wald
    Angesichts der geschilderten Probleme müsste eigentlich klar sein, dass Windkraftwerke im Wald und in reich strukturierten Lebensräumen keinen Platz haben. Denn Wälder sind ein wichtiges Schutzgut und tragen unmittelbar zur Biodiversität bei. Daher sind Windenergieanlagen im Wald zu verbieten. Eigentlich ist der Wald bereits heute grundsätzlich ein Ausschlussgebiet von nationalem Interesse. Aber eben nur «eigentlich»; denn im sogenannten «öffentlichen Interesse» wird der Bau von Windenergieanlagen im Wald plötzlich «denkbar», ja gefordert, wie politische Vorstösse in Bern zeigen, die den Bau von Windkraftanlagen in Wäldern ermöglichen und erleichtern wollen.

    Dies ist unbedingt zu verhindern. Der Ausbau der Windkraft in der Schweiz muss – wenn angesichts der schlechten Effizienz überhaupt sinnvoll – auf Flächen beschränkt werden, die für den Natur- und Artenschutz als risikoarme bewertet werden können. 

    Peter Weigelt,
    alt Nationalrat FDP St.Gallen
    und Präsident des St.Gallischen Jägervereins Hubertus

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